Äpfel, Ernte und Verarbeitung – der lange Weg zum Calvados


Calvados gehört nicht gerade zu den Getränken, die man täglich auf dem Tisch stehen hat. Nur die wenigsten dürften wissen, wofür „Pays d’Auge“ oder „Domfrontais“ auf einer Calvados-Flasche steht. Und nur Kennern sind in die feinen Unterschiede zwischen den drei Appellation d’Origine Contrôlée (AOC) Regionen bekannt. In diesem Beitrag stellen wir die drei Regionen vor und erklären deren Besonderheiten.

Inhaltsverzeichnis

Die drei Anbauregionen

Die drei AOC-Regionen haben eine sehr unterschiedliche Bedeutung für die gesamte Produktionskapazität. Auch haben die verschiedenen Regionen ihren Schutzstatus (Jahreszahl in Klammern) nach und nach erworben.

  • Calvados AOC (seit 1984) – 70% der Produktionsmenge
  • Calvados Pays d’Auge AOC (seit 1942) – 29% der Produktionsmenge
  • Calvados Domfrontais AOC (seit 1997) – 1% der Produktionsmenge

Die drei Anbauregionen

Quelle: Interprofession des Appellations Cidricoles

Jeder Calvados muss vollständig in der Region produziert werden, deren AOC er trägt. Dies gilt vom Anbau der Äpfel, über die Herstellung des Apfelmostes über die Destillation und Reifung bis hin zur Abfüllung und Etikettierung. Das fertige Produkt hat somit einen hohen regionalen Bezug.

Geographische Lage der Calvados Region

Die Lage der drei AOC Regionen ist keinesfalls identisch mit dem gleichnamigen Département Calvados in der Normandie. Während der Calvados Domfronatais und der Calvados Pays d’Auge aus jeweils einem zusammenhängenden Gebiet stammen, ist das Anbaugebiet des Calvados AOC in fünf größere Regionen und zahlreiche kleine partielle Anbaugebiete zersplittert. Grundsätzlich ist die Unterscheidung zwischen den Anbauformen auf den Plantagen von sehr großer Bedeutung. Dabei werden hochstämmige Obstbäume (haut-tige) als traditioneller und deren Früchte als hochwertiger gegenüber den niedrigwüchsigen Obstbäumen (basse-tige) bevorzugt.

Die Anbauregionen des Calvados AOC

Während Calvados Domfrontais und Pays d’Auge aus einem jeweils zusammenhängenden Gebiet stammen, handelt es sich bei der mit Abstand größten Appellation um eine stark zersplitterte Region, welche aus fünf größeren Gebieten und zahlreichen kleinen Flächen besteht. Die größte zusammenhängende Fläche umfasst das südwestliche Département Calvados, fast das gesamte südliche Département Manche, umschließt die Anbauregion des Calvados Domfrontais nahezu komplett und reicht im Westen durch das gesamte Département Orne bis in den äußersten Norden der Départements Mayenne und Sarthe. Deutlich kleinere Anbaugebiete befinden sich südlich von Cherbourg (Département Manche), im Südosten des Département Orne und im Westen des Département Eure. Das südlichste Anbaugebiet befindet sich im Norden des Département Sarthe und das nördlichste rund um die Stadt Neufchâtel im Osten des Département Seine-Martitime. Das Gebiet hat eine Ost-West-Ausdehnung von etwa 200km und von Nord nach Süd von etwa 150km.

Anbau des Calvados AOC

Streuobstwiese, by ulrichstill - Own work (Own photography), CC BY-SA 2.0 de

Für den Calvados AOC darf max. ein Anteil von 30% Birnensaft verwendet werden, man kann aber auch gänzlich auf Basis von Apfelsaft produzieren. Die Früchte können aus Plantagen mit hohen Stamm mit maximal 280 Bäumen je Hektar und einem Mindestabstand von fünf Metern zwischen den Bäumen oder aus Plantagen mit niederwüchsigen Spalierbäumen (basse-tige) stammen, von denen je Hektar maximal 1.000 Bäume gepflanzt werden dürfen. Der Anteil der Früchte, die aus Plantagen mit Hochstammbäumen (haut-tige) stammen, muss mindestens bei 35% liegen. Für die Herstellung von Calvados AOC sind 230 Apfelsorten und 130 Birnensorten zugelassen. Die Destillationsmethode kann frei gewählt werden, meistens wird auf eine Colum Still gebrannt. Die Reifezeit auf Fässern aus Eichenholz beträgt mindestens 2 Jahre.

Die Landschaft und der Calvados Pays d‘Auge AOC

Landschaft und der Calvados Pays d'AugePays d’Auge ist der Name einer Landschaft in der Normandie. Sie liegt im östlichen Teil des Départements Calvados, reicht im südlichen Teil bis in das Département Orne hinein und umfasst den westlichsten Streifen des Département Eure. Die Landschaft Pays d‘Auge entspricht im Wesentlichen dem Verlauf des Beckens der Flüsse Touques und Dives. In dieser traditionsreichen Kulturlandschaft liegen Orte wie Camembert, Livarot und Pont-l’Évêque und gilt mit den Kühen, Weiden, Apfelbäumen und Häusern als das Typus der Normandie. Die Pays d’Auge gilt das die Wiege der drei großen „C“ der Normandie: Camembert, Calvados und Cidre. Die Pays d’Auge ist somit das klassische Anbaugebiet des Calvados im Osten des gleichnamigen Départements. Südlich reicht das Anbaugebiet des Pays d’Auge Calvados bis weit in das Département Orne hinein, während vom Département Eure nur der westlichste Teil dazu zählt.

Besonders interessant ist die geologische Beschaffenheit der Pays d’Auge (in der Karte rot umrandet), welche sich genau an der Schnittstelle zwischen grundsätzlich verschiedenen Gesteinstypen befindet. Während der östliche Teil dem Pariser Becken (grün) zugerechnet wird und damit zu einer sehr jungen, kalkhaltigen Gesteinsschicht aus der Kreidezeit zählt, wird der Westen durch Sandstein (blau) dominiert. Diese Region wird auch als normannische Schweiz (Suisse Normande) bezeichnet. Die Bodenbeschaffenheit hat großen Einfluss auf die Qualität der Äpfel. Das Pariser Becken weist einen schweren Boden auf, der von Ton und Lehm geprägt ist. Dieser Boden zwingt die Wurzeln der Bäume tiefer in das Gestein, um an Wasser heranzukommen. Nach Westen wird der Boden tendenziell leichter, die Wurzeln müssen weniger tief bis in wasserführende Schichten vordringen. Die Varietäten, Säuren und Tannine der Äpfel haben daher in der Pays d’Auge eine Vielfalt entwickelt, die in dieser Form einzigartig ist und den Ruf der Pays d’Auge als das Herz des Calvados begründen.

Ausschnitt Weltkarte

Geologische Beschaffenheit des Département Calvados

Die Früchte für einen Calvados Pays d’Auge stammen zu mindestens 45% von traditionellen Hochstammbäumen (haut-tige). Der Anteil von Birnensaft am Cidre darf höchstens 30% betragen. Für die Herstellung sind rund 100 Apfelsorten und 30 Birnensorten zugelassen. Der Calvados Pays d’Auge wird zweifach destilliert und lagert mindestens zwei Jahre auf Fässern aus Eichenholz.

Die Landschaft und der Calvados Domfrontais AOC

Calvados Domfrontais AOC

Domfrontais, auch Passais genannt, ist eine historische Landschaft der Normandie, die zum Bocage Normand gehört. Domfrontais ist eine der bekanntesten Anbauregionen für Birnen. Entsprechend wird der Calvados Domfrontais zu mindestens 30% aus Birnenmost destilliert. Das Gebiet, aus dem der Calvados Domfrontais stammt, liegt hauptsächlich im Departement Orne, reicht im westlichen Bereich bis in das Departement Manche und im Süden bis in das Departement Mayenne hinein. Ein Calvados Domfronatais wird damit gänzlich außerhalb des Departement Calvados produziert.

Wie bereits angesprochen, sind Birnen eine besondere Spezialität der Region, was sich auch im Calvados niederschlägt. Typisch ist der Anbau von Birnen an klassischen Hochstammbäumen. Jeder Obstbaubetrieb muss mindestens 80% der bepflanzten Fläche mit Hochstammbäumen (haut-tige) abdecken und mindestens 25% der Fläche müssen mit Birnen bedeckt sein. Die größten Birnenbäume erreichen eine Höhe von bis zu 15 Metern. Für die Herstellung von Calvados sind fünfzig Sorten Äpfel und 120 Sorten Birnen zugelassen. Für die Destillation des Apfel- und Birnen-Cidre werden Colum-Stills verwendet. Die Mindest-Reifezeit auf Eichenholz beträgt drei Jahre.

Zusammenfassung

In der nachfolgenden Tabelle haben wir die wichtigsten Fakten zu den drei Calvados-Varianten noch einmal zusammengefasst.

 

Calvados

Pays d’Auge

Domfrontais

AOC Schutz

seit 1942

seit 1984

seit 1997

Marktanteil

70%

29%

1%

Anteil Birne

max. 30%

max. 30%

min. 30%

zugelassene Äpfel

230 Sorten

100 Sorten

50 Sorten

zugelassene Birnen

130 Sorten

30 Sorten

120 Sorten

min. Bepflanzung mit Birnen

 

 

25% der Plantagenfläche

haut-tige Pflanzdichte

 

 

 

-          Äpfel

max. 280 Bäume/Hektar

70 bis 180 Bäume/Hektar

-          Birne

min. 40 Bäume/Hektar

basse-tige Pflanzdichte

max. 1.000 Bäume/Hektar

400 bis 700 Bäume/Hektar

haut-tige Ertrag

 

 

 

-          Äpfel

max. 20 Tonnen/Hektar

-          Birnen

max. 30 Tonnen/Hektar

basse-tige Ertrag

max. 40 Tonnen/Hektar

Erste Ernte

 

 

 

-          haut-tige

nach 7 Jahren

-          basse-tige

nach 3 Jahren

Anteil basse-tige

min. 35%

min. 45%

min. 80%

Destillation

In der Regel Kolonne, Pot Still wäre aber möglich

Pot Still max. 3.000 Liter Volumen, 2-fach mit direkter Befeuerung

In der Regel Kolonne, Pot Still wäre aber möglich

Reifezeit

min. 2 Jahre

min. 2 Jahre

min. 3 Jahre

Mindestalkoholgehalt

 40% vol

 

Ganz offensichtlich ist Calvados kein Getränk von der Stange. Zutaten, Herstellung und Lagerung unterscheiden sich von Brennerei zu Brennerei, von Ort zu Ort sehr stark. Die unterschiedlichen Ausgangsstoffe, von den zulässigen Birnen- und Apfelsorten, über die Feinheiten bei der Ernte und der Auswahl der Früchte, bis zur Verarbeitung in der Brennerei, machen sich im fertigen Produkt bemerkbar. Der Calvados Domfrontais ist in Deutschland nur selten erhältlich und hat auch in Frankreich fast nur in der Region eine gewisse Bedeutung erlangt. Der Calvados aus allen drei Regionen weist in aller Regel eine hohe Qualität auf, so dass die Beurteilung letztlich ganz dem persönlichen Geschmack des Genießers zusteht.

Linktipps

Von Böden, Klima und einer Menge Äpfel, 2. August 2017, online abrufbar: http://spirit-ambassador.de/calvados-teil-i-das-terroir-der-normandie/#prettyPhoto

Äpfel in Bestform, 10. Februar 2011, Süddeutsche Zeitung, online abrufbar: http://www.sueddeutsche.de/reise/calvados-aepfel-in-bestform-1.239849

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