Bayerischer Gebirgsenzian – Spirituose mit geschützter geografischer Angabe

Bayerischer Gebirgsenzian wird im Freistaat Bayern aus Enzianwurzeln hergestellt. Diese Enzianwurzeln wachsen überwiegend in dem bayerischen Teil der Alpen, im bayerischen Alpenvorland und auch im Bayerischen Wald.

Die Enzianpflanze ist eine krautige Pflanze die eine Wuchshöhe zwischen 5 und 15 Zentimetern erreichen kann. In der Blütezeit zwischen Juni und September blüht die Enzianpflanze in einem tiefen Blau.

Eigenschaften des Bayerischen Gebirgsenzian

Mindestalkoholgehalt bei 20 °C (Vol.-Anteil Alk.): 40

Klarheit: klar

Farbe: wasserhell oder bei in Holzfass gereiften Produkten gelblich, rötlich, oder bräunlich

Zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe oder andere Stoffe: ggf. Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs zum Vermischen mit Enziandestillat und Wasser zur Herabsetzung auf Trinkstärke.

Merkmale des Bayerischen Gebirgsenzians

Der Bayerische Gebirgsenzian hat einen typischen würzigen Geruch nach Enzian, im Geschmack dominiert ein typisch erdiger Geschmack.

Höherer Mindestalkoholgehalt von 40 % vol. gegenüber dem Mindestalkoholgehalt für Enzian (37,5 % vol.).

Farbstoffe werden nicht verwendet.

Süßende Erzeugnisse werden weder den Destillaten noch den Fertigerzeugnissen zugegeben.

Die verwendeten Enzianwurzeln werden überwiegend in den im Kapitel „geografisches Gebiet“ angegebenen Regionen Bayerns angebaut.

Die sensorische Abweichung zu Erzeugnissen aus anderen Staaten begründet sich aus reduzierten Gehalten verschiedener geschmackbeeinflussender Gärungsnebenprodukte, wie z. B. n-Propanol, Ethylacetat, Methanol und 2-Methyl-1-Propanol, die dem erdig-würzig schmeckenden „Bayerischen Gebirgsenzian“ durch Veresterungsprozesse insbesondere während der Lagerung süßlich-aromatische, bisweilen muffig-blumige Nuancen, verbunden mit einer Abmilderung der Alkoholschärfe verleihen.

Herstellung des Bayerischen Gebirgsenzians

„Bayerischer Gebirgsenzian“ wird aus den Wurzeln der Enziansorten Gentiana Lutea, Gentiana Purpurea, Gentiana Punctata oder Gentiana Pannonica gewonnen.

Im ersten Arbeitsschritt werden die Enzianwurzeln der gelb blühenden und unter Naturschutz stehenden Sorten, die nur mit einer speziellen Abgrabungsgenehmigung der zuständigen Behörden ausgegraben werden dürfen, gründlich gewaschen und zerkleinert.

Sodann wird im zweiten Arbeitsschritt aus den gewaschenen und zerkleinerten Enzianwurzeln unter Hinzufügung von Wasser, zum Teil Gebirgsquellwasser, und Reinzuchthefe die sog. Enzianmaische hergestellt. Enzianwurzeln enthalten als Speicherkohlenhydrat das Trisaccharid Gentianose (bestehend aus zwei Molekülen Glucose und einem Molekül Fructose), das von der Hefe nicht direkt zu Alkohol vergoren werden kann. Die Gentianose wird durch die in der Hefe enthaltenen Enzyme Fructosidase und ß-Glucosidase in Fructose, Glucose und Saccharose gespalten, die zu Alkohol vergoren werden. Die Gärung verläuft recht langsam und dauert in der Regel bis zu sechs Wochen.

Im dritten Arbeitsschritt wird die Enzianmaische ein- oder zwei Mal destilliert. Hier gibt es mehrere Destillationsvarianten. Zum einen wird die vergorene Enzianmaische nach althergebrachter Brennkunst in einem doppelten Brennverfahren (zunächst nur Rohbrand und im Anschluss daran der Feinbrand mit Vor- und Nachlaufabtrennung) in kupfernen Brennkesseln destilliert. Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, zunächst nur einen Rohbrand zu erzeugen, diesen anschließend in einem bestimmten Mengenverhältnis mit Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs zu vermischen und anschließend unter Abtrennung von Vor- und Nachlauf zu einem Feinbrand zu destillieren. Bei diesem letzteren Verfahren werden dem Rohbrand weder unvergorene Wurzeln noch sonstige Zusätze zugegeben. Teilweise wird die vergorene Enzianmaische in modernen energie- und wassersparend arbeitenden Destillationsapparaten auch in einem Arbeitsgang zu einem Feinbrand destilliert.

Hersteller, die direkt einen Enzianfeinbrand herstellen, vermischen diesen Feinbrand in der Regel in einem bestimmten Mischungsverhältnis mit Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs. Diese Vermischung und auch der im vierten Absatz dieses Kapitels beschriebene Zusatz von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs zum Rohbrand haben zum Ziel, einerseits den sehr kräftig aromatisch-erdigen Geschmack von reinem Enzianwurzeldestillat zu verfeinern, andererseits die Herstellungskosten zu senken.

Im Anschluss an die Destillation erfolgt in der Regel eine Lagerung und/oder eine Reifung in geeigneten Behältnissen (z. B. in Eschenholzfässern).

Nach der Lagerung oder Reifung schließt sich die Fertigstellung an, die folgende Schritte beinhaltet:

- eine eventuelle Zusammenstellung („blending“) unterschiedlicher Enziandestillate,

- die Herabsetzung des/der hochprozentigen Enziandestillate/s auf Trinkstärke mit Wasser,

- die Abfüllung in Flaschen oder andere geeignete Verkaufsbehälter

- das Etikettieren und Verpacken.

Angaben zum geografischen Gebiet des Bayerischen Gebirgsenzians

Im Jahr 1602 wurde das Enzianbrennen erstmals urkundlich in Bayern erwähnt. Damals wurde durch den Berchtesgadener Landesfürsten das Recht zum Graben von Enzianwurzeln im umliegenden Gebirge sowie das Brennen dieser Wurzeln erteilt. Dies war auch der Beginn einer Jahrhunderte alten Brenntradition, die sich bis heute fortgesetzt hat. Bayerischer Gebirgsenzian hat sich seither zu der typischen Spirituose für die bayerischen Alpen entwickelt und ist seit langem ein unverwechselbares Kulturgut Bayerns.

Dass Bayerischer Gebirgsenzian auf das engste mit Bayern verbunden ist, belegen Berichte über das Enzianbrennen im Gebirge aus aktuellen Medien (Zeitungsberichte, Beiträge im Rundfunk und Fernsehen) und aus Literatur im Bereich Genusskultur. Einige der renommierten Unternehmen verfügen über eigene Archive und Sammlungen von Artikeln aus Zeitungen und Zeitschriften. Gibt man über Internetsuchmaschinen das Stichwort „Bayerischer Gebirgsenzian“ ein, erhält man viele Treffer mit weiterführenden Hinweisen zu dieser bayerischen Spirituosenspezialität.

Das typische Klima und der Boden in den bayerischen Alpen, im bayerischen Alpenvorland und im Bayerischen Wald wirken sich auf die Beschaffenheit der Gentianose, welche die Enzianwurzeln als Speicherkohlenhydrat enthalten, aus. In den Bayerischen Alpen, insbesondere im Berchtesgadener Land, wächst der Enzian im Hochgebirge bis zu einer Höhe von 2.500 Metern auf kalkhaltigen Böden. Im Bayerischen Wald werden auf Höhen von 800 Metern Enzianwurzeln eigens für pharmazeutische und Lebensmittelzwecke angebaut. Auch der Zusatz von Gebirgsquellwasser aus den bayerischen Alpen wirkt sich qualitativ und sensorisch auf das Endprodukt aus.

Wegen des hohen Methanolgehalts (gesetzliche Höchstmengenbegrenzung) und wegen des äußerst scharfen Geschmacks des Enzian-Destillats ist es aus Gründen der Genießbarkeit seit Ende des 19. Jahrhunderts üblich, das reine Enziandestillat mit Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs zu verfeinern. Dieser Zusatz von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs zu Enziandestillat führt zu einem unverwechselbaren sensorischen Ergebnis, das deutlich von ähnlichen Enzianprodukten mit anderen Herstellungsarten in den Nachbarländern und -regionen abweicht.Die sensorische Abweichung begründet sich chemisch aus reduzierten Gehalten verschiedener geschmackbeeinflussender Gärungsnebenprodukte, wie z. B. n-Propanol, Ethylacetat, Methanol und 2-Methyl-1-Propanol, die dem erdig-würzig schmeckenden Bayerischen Gebirgsenzian durch Veresterungsprozesse während der Lagerung süßlich-aromatische, bisweilen muffig-blumige Nuancen, verbunden mit einer Abmilderung der Alkoholschärfe verleihen.

Sensorisch unterscheidet sich der „Bayerische Gebirgsenzian“ durch die sog. Veresterungsprozesse im Alkohol-Gebirgswasser-Gemisch zu den Enzian-Erzeugnissen in den benachbarten Ländern. Diese sensorischen Unterschiede zu den Enzian-Erzeugnissen in anderen Ländern werden teilweise auch in der Literatur beschrieben.

In Österreich werden beispielsweise Enzianwurzeln traditionell mit Obstrohstoffen eingemaischt und oft als Geist zu „Enzianschnaps“ verarbeitet werden, in beiden Fällen ohne Fasslagerung. Insbesondere das Verfahren des Zusetzens von Enzian-Rauhbrand zur Obstmaische ist für die historische Enzianregion Tirol üblich und führt zu einem völlig anderen sensorischen Ergebnis, bei dem eine starke Obstler-Note vorherrscht. Wie Johann Priewasser im Tiroler Bauernkalender 1973 ausführt, ist in Tirol der in der Praxis übliche Vorgang, dass die Enzianwurzeln fein gehackt der Obstmaische beigemengt und mit dieser vergoren werden. Als weitere Methode führt Priewasser an, dass Enzianwurzeln mit Alkohol versetzt werden und die daraus entstandene Tinktur der Destillation unterworfen wird. Im Zillertal ist es demnach üblich, die getrockneten feingehackten Wurzeln mit heißem Wasser aufquellen zu lassen, die Mischung drei Wochen stehen zu lassen und dann in den Rauhbrand eines Apfelschnapses zu gegeben und damit zu destillieren. Noch heute werden in Österreich Enzianerzeugnisse vorwiegend als „Enzianschnaps“ vermarktet. Ein Blick in die Internetangebote der Hersteller gibt Aufschluss darüber.

In Frankreich und in der Schweiz ist es hingegen üblich, reines Enziandestillat (ohne Zusatz landwirtschaftlichen Ethylalkohols) mit über 42 % vol. in den Verkehr zu bringen, auch dies ohne Fasslagerung. Enzianerzeugnisse aus diesen beiden Ländern weisen traditionell einen überaus starken Muffton und bittere Noten auf, die historisch betrachtet bei manchem Konsumenten sogar bisweilen zu starkem Ekelreiz führten. So stellte Theodor Martius 1854 in der Rubrik „Allgemeine Rundschau – Bromologie“ zu seinem Genuss vo Enziandestillat in den Schweizer Alpen fest: „Es war eine trübe Flüssigkeit von eigentümlichen Geruche, schwach bitterem Geschmacke... Ich trank ein kleines Weinglas voll, empfand aber bald eine starke Neigung zum Brechen...“. Martius führt den „widerlichen Geschmack“ auf Gärnebenprodukte zurück. Veresterungsprozesse sind hier nicht besonders ausgeprägt bzw. gehen im urtümlich-muffigen Grundton des Erzeugnisses unter. Die Ausbeute beim reinen „Enzianbrand“ ist gering. Nach einem Artikel in der Solothurner Zeitung vom 9. Oktober 2013 erzielt z. B in Solothurn ein Enzianbrenner heute aus 100 kg Frischwurzeln etwa 6-7 Liter Enzianbrand, er gewinnt dabei im Jahr nicht mehr als 20 Liter Destillat.

Reine Enzianbrände aus Frankreich und der Schweiz sind nach wie vor Nischenprodukte und werden vorwiegend als rein örtliche, begehrte Spezialitäten von der heimischen Bevölkerung in den Herkunftsländern konsumiert.