Das Calvados-Geheimnis: Seine Reifezeit


Ein Calvados muss je nach Appellation eine Reifezeit von zwei bis drei Jahren auf Holz-Fässern aus Trauben- oder Stiel-Eiche verbringen. Was genau es für Vorschriften gibt und wie die Lagerung erfolgt, erklären wir in diesem Blog-Beitrag über das Geheimnis der Reifezeit für den Calvados.

Inhaltsverzeichnis:

 

Ein Calvados für die Engel

Seine Mindestreifezeit von zwei bis drei Jahren (je nach Appellation) muss der Calvados auf Holzfässern aus Eiche mit einem Volumen von nicht mehr als 10.000 Liter verbringen. Bei kleineren Fässern ist die Kontaktfläche im Verhältnis zum Inhalt viel größer als bei den großen 10.000 Liter-Fässern. Der Calvados kommt in den kleinen Fässern mehr in Kontakt mit dem Holz und der Anteil der Engel ist größer. Als Angels Share wird der Volumenverlust durch Verdunstung bezeichnet. Es gibt also zwei Effekte, auf welche die Größe des Fasses unmittelbaren Einfluss hat: Die Verdunstung und der Kontakt mit dem Holz.

 

Der Kontakt mit dem Holz

Für die Reifung werden ausschließlich Fässer aus Stiel- und Trauben-Eiche verwendet. Neben der Holzart spielt während der Lagerung die Fassgröße, das Fassalter sowie die Umweltbedingungen durch Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine große Rolle für den Reifeprozess. Die Eichenfässer werden aus trockenem Eichenholz hergestellt. Trockenes Holz bedeutet, dass die Eichen nach dem Schlagen mindestens 2, besser 3 Jahre trocknen, bevor aus ihnen etwa 3cm tiefe Dauben gearbeitet werden, welche dann zu Fässern verarbeitet werden. Anders als beim Bourbon gibt es keine Vorschriften, wo das Holz geerntet wurde. Neuere Fässer stammen überwiegend aus Osteuropa. Die Mehrzahl der benutzten Fässer ist aber bereits älter und aus französischer Eiche. Äußerst selten sind Fässer aus anderen Regionen anzutreffen, in denen zuvor schon Wein, Whisky oder Sherry lagerte. Wenn man einen solchen Calvados erwischt, weißen die Hersteller darauf dezidiert hin.

Durch den Kontakt zum Holz gewinnt der Calvados an Reife, er nimmt Gerbstoffe aus der Eiche auf und entwickelt sein Aroma. Das Holz verleiht dem Calvados Farbe, Fülle und Feinheit. Dabei gelten die Größe und das Alter des Fasses als die wesentlichen Stellschrauben. Große und alte Fässer nehmen weniger Einfluss auf das Destillat als kleine und neue Fässer dies vermögen. Neue Fässer enthalten sehr viel Gerbsäure, weswegen darin nur junger Calvados für eine verhältnismäßig kurze Zeit gelagert wird.

Zu unterscheiden ist auch zwischen Reifung und Lagerung. Auf den kleinen Fässern mit 250 bis 600 Litern kann ein Calvados kaum seine gesamte Zeit bis zur Abfüllung verbringen, weil das Holz der Fässer einen zu großen Einfluss auf das Destillat nehmen würde. In größeren und älteren Fässern ab 1.000 Liter Fassungsvermögen kann der Calvados aber durchaus Reife- und Lagerzeit bis zur Abfüllung in einem Fass verbringen. Auch wenn die Mehrzahl der Fässer zwischen 250 und 600 Litern fasst, darf man sich nicht durch die Bezeichnung „Barrique“ täuschen lassen. „Barrique“ steht einfach für Fasslagerung und trifft auf jeden Calvados zu. Die Angabe hat nichts mit der Fassgröße des Bordeaux-Wein zu tun. Manche Fässer dienen bereits seit über 100 Jahren für die Lagerung von Calvados. Dabei wird das Aroma des Calvados nach und nach intensiver, seine Farbe entwickelt sich von einem klaren Brand über einen intensiven goldenen Ton zu einer tiefen Farbe von Bernstein. Mit der Farbe verändern sich auch die Aromen. Gilt der junge Calvados als ungestüm und wild bis gar sprittig, entwickelt sich mit der Zeit ein komplexes Apfel-Aroma mit Noten von Holz, Nelken, Vanille, Honig, Nüssen und Gewürzen. Die meisten Hersteller haben im Laufe der Jahre eine große Freude am Ausprobieren entwickelt. So werden alte Destillate noch mal kurzzeitig auf neuen Fässern gereift, um den Gehalt an Tannin zu erhöhen. Es gibt sogar Fässer, die abwechselnd aus neuen und alten Dauben gebaut worden sind.

 

Verdunstung und Komplexität

Wie bereits oben erwähnt wurde, atmet das Destillat durch das Holz. Über die Reife- und Lagerzeit geht also ein Teil des Volumens durch natürlich Verdunstung als „Anteil der Engel“ verloren. Wie groß dieser Angel’s Share ist, hängt von der Größe des Fasses ab. In kleinen Fässern geht verhältnismäßig viel verloren, in großen Fässern verhältnismäßig wenig. Doch auch wenn das Volumen im Fass abnimmt, ist dieser Verlust durchaus ein Gewinn für die Aromatik des Calvados. Im Fass konzentrieren und verschmelzen die Aromen des Destillates mit dem des Holzes. Doch wie genau dieser Prozess abläuft, ist von Region zu Region, von Hersteller zu Hersteller und von Fass zu Fass unterschiedlich.

 

Wichtig für diesen Prozess ist das Alter und die Permeabilität des Holzfasses, der Alkoholgehalt des Destillates und die Umweltbedingungen in Form von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. In neue Fässer werden meist junge Destillate eingelagert, die nach einer bestimmten Zeit in ältere Fässer umgelagert werden. Manche Produzenten lagern ihre Destillate mit 70% vol. Alkoholgehalt direkt nach der Destillation ein und sorgen durch die Zugabe von Wasser nach und nach für eine Herabsetzung auf 55% vol. bis 60% vol. Alkoholgehalt. Beim Umfüllen der Destillate auf andere Fässer ergibt sich durch die Sauerstoffzufuhr ebenfalls ein Einfluss auf die Entwicklung des Calvados. In manchen Betrieben wird der Alkoholgehalt bereits vor der Einlagerung durch die Zugabe von Wasser auf 55% vol. bis 65% vol. Alkoholgehalt herabgesetzt.

Temperatur und Luftfeuchtigkeit sollten während der Reifezeit und Lagerung nach Möglichkeit konstant bleiben. Schwankungen jeder Art sind für die Entwicklung der Aromen ungünstig. Deswegen werden von den meisten Betrieben Tief- oder Gewölbekeller für die Lagerung des Calvados verwendet. Dort liegen die Temperaturen sommers wie winters zwischen 12° C und 14° C und die Luftfeuchtigkeit bewegt sich in einem idealen Bereich. Sollte es zu trocken sein, würde entsprechend mehr von dem Calvados verdunsten.

 

Reduktion und Assemblage durch den Kellermeister

Der Alkoholgehalt des abgefüllten Calvados darf nicht geringer als 40% vol. sein, liegt aber auch selten darüber. Nach der Destillation hat der Calvados einen Alkoholgehalt von um die 70% vol. und sofern er vor der Reifezeit durch die Zugabe von Wasser reduziert wird, dann hat er immer noch einen strammen Alkoholgehalt von über 60% vol. Entsprechend ist es die Aufgabe des Kellermeisters, den Alkoholgehalt durch Reduktion auf seine Trinkstärke zu bringen.

Bei der Reduktion gibt der Kellermeister dem Destillat entmineralisiertes oder destilliertes Wasser hinzu. Weiterhin ist es die Aufgabe des Kellermeisters, dem fertigen Calvados seinen typischen Charakter zu verleihen. Daher kann er nicht einfach den Inhalt eines Fasses abfüllen, sondern muss durch die Kombination der Inhalte verschiedener Fässer eine gleichbleibende Qualität erreichen. Diese Kunst nennt sich Assemblage. Wie ein Alchimist muss der Kellermeister verschiedene Branntweine unterschiedlichen Reifegrades in unterschiedlicher Menge miteinander kombinieren. Hier ist eine hohe Kompetenz und große Erfahrung erforderlich, um eine perfekte Balance zwischen kräftigen und fruchtigen Aromen zu erreichen. Eine Assemblage wird teils über mehrere Monate ausgearbeitet, da nach jeder Vermählung erneut eine Ruhe- und Reifezeit einzuhalten ist, damit sich die verschiedenen Bouquets miteinander vermischen können.

Eine Besonderheit ist ein Calvados „brut de fût“, was sich als „roh aus dem Fass“ übersetzen ließe. Dieser Calvados wurde nicht verschnitten, sondern quasi als „Single Barrel“ und „Cask Strength“ mit seinem natürlichen Alkoholgehalt aus dem oberen Teil eines Fasses entnommen. Ein „brut de fût“ Calvados ist eine echte Rarität mit einem sehr intensiven Aroma, welches häufig die charakteristische frische Fruchtigkeit vermissen lässt. Diese Qualitätsstufe des Calvados ist nur im ausgesuchten Fachhandel und zu Preisen von deutlich über 100 Euro die Flasche erhältlich.

 

Der Effekt der Lagerung und Reifung von Calvados

Während der Lagerung nimmt der Calvados eine gelb-bräunliche Färbung an. Zur Erzielung von Produkten gleichbleibender Qualität werden Destillate verschiedener Jahrgänge und Herkunftsgebiete gemischt und danach einer nochmaligen mehrmonatigen Reifung und Harmonisierung unterzogen. Danach erfolgen die Herabsetzung des Alkoholgehaltes auf Trinkstärke und die endgültige Einstellung des Alkoholgehaltes auf 40% vol. bis 45% vol. Zur Erlangung der Appellation d’Origine Controlée müssen regelmäßig Proben zur Untersuchung bei den zuständigen Behörden eingereicht werden. Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und eine sensorische Qualitätsprüfung werden durch eine Prüfungskommission streng überwacht.

 

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