Laverstoke Mühle: neue Heimat für den Bombay Sapphire Gin und Wendepunkt einer Konzernstrategie?
Blog Bombay Sapphire, Gin, Bombay
Ende September 2014 war der ursprünglich für Mai 2014 angekündigte Umzug der Bombay Sapphire Destillerie bereits ein paar Monate überfällig. Aber Bacardi hat für seine bekannteste Gin-Marke auch keinen Flughafen gebaut, sondern nur eine Mühle umgebaut. Trotzdem sollten zumindest wir Deutschen für die eingetretene Verzögerung bei der Realisierung dieses Großprojektes etwas Verständnis zeigen. Die neue Heimat Laverstoke Mill war früher mal eine Papiermühle und wurde sehr aufwendig umgebaut. Wieviel genau Bacardi hier investiert hat, ist leider noch nicht durchgesickert, aber von einer Summe im zweistelligen Millionen-Bereich muss man angesichts der ersten Eindrücke ausgehen. Insgesamt ist die Re-Integration des vollständigen Produktionsprozesses in den Konzern eines multinationalen Spirituosenherstellers ein Novum und vielleicht ein Wendepunkt in der Markenstrategie der Konzerne.
Für eine der kultigsten Gin-Marken der Welt wurde hier ein neues Besucherzentrum geschaffen, welches einen Besuch in der südenglischen Grafschaft Hampshire für einen Gin-Liebhaber fast zur Pflicht werden lässt. Für den Entwurf zeichnet der berühmte britische Architekt Thomas Heatherwick verantwortlich. Und obwohl es für das Büro Heatherwick die erste Produktionsanlage war, ist das Ergebnis eine Wucht. Mit viel Liebe zum Detail wurde hier ein echtes Schmuckstück geschaffen. In Punkto Umweltschutz und Nachhaltigkeit hat Bacardi mit dieser Brennerei neue Standards gesetzt. Es ist die einzige Verarbeitungsanlage in Großbritannien, deren Nachhaltigkeitskonzept ein BREEAM-Zertifikat mit der Bewertung "hervorragend" erhalten hat. Bacardi zeigt mit diesem Besucherzentrum sehr eindrucksvoll, dass man die Tradition der Gin Destillation und die Marke Bombay Sapphire auf dem neusten Stand der Technik präsentieren möchte.
Die Geschichte der Laverstoke Mühle geht bis in das Jahr 1086 zurück. Zwar wurde damals noch kein Papier hergestellt, aber die Wasserkraft des Flusses wurde schon in der Zeit von Wilhelm dem Eroberer und Henry dem VIII. genutzt. Bereits vier Könige des Vereinigten Königreichs gaben sich die Ehre an der Mühle, zuletzt 1962 Queen Elizabeth II. Seit 1724 hatte der Müller Henry Portal das Recht inne, Papier für die Banknoten des Empires herzustellen. So kam es, dass der Wohlstand in der Mitte des 18. Jahrhunderts rund um die Laverstoke Mühle deutlich zugenommen hat. Nach und nach wurden Banknoten immer beliebter. Um mit der Herstellung Schritt halten zu können, war es in den Jahren 1842 und 1881 erforderlich, die Anlage deutlich zu erweitern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat dann ein Niedergang der Papierindustrie eingesetzt, bis schließlich die alte Papiermühle ganz geschlossen werden musste.
Mit dem Entwurf des Architekten Thomas Heatherwick wurde dem alten Standort neues Leben eingehaucht ohne das er seine historischen Wurzeln verleugnen müsste. Heute besteht der Standort aus einer Ansammlung von mehr als 40 Gebäuden. Historische Elemente, wie das alte Wasserrad, werden geschickt in ein Konzept aus Nachhaltigkeit und Umweltschutz integriert. So wird Strom aus Wasserkraft erzeugt, Wärme aus Biomasse und durch ein ausgeklügeltes Wärmerückgewinnungssystem.
Mit einem Teil der zurückgewonnenen Wärme wird das Herz der Anlage beheizt: die beiden Gewächshäuser für die Botanicals. Die beiden großen Gewächshäuser sind wie übergroße Kolben mit der Produktionshalle verbunden und symbolisieren so, wie die Aromen im Gin konserviert werden. In den Gewächshäusern können sich die Besucher über die Botanicals, die den Bombay Sapphire die Aromen verleihen, informieren. In diesen Gewächshäusern finden sich sehr gut aufgearbeitete Informationen über die pflanzlichen Geschmacksträger, welche hier in ihrer natürlichen tropischen und mediterranen Klimazone präsentiert werden. Die Gewächshäuser bestehen aus 793 Einzelstücken aus Glas, welche von Kew Gardens entworfen wurden. Ein mild-raues Mittelmeerklima bietet ideale Bedingungen für den Anbau von Mandeln, Zitronenschale, Engelwurz, Koriandersamen, Wacholder und Iriswurzel. In der wärmeren, feucht-tropischen Umgebung des zweiten Gewächshauses wachsen Paradieskörner und verschiedene Beeren. Die Gewächshäuser sind also mehr als nur beeindruckende Skulpturen aus Glas. Sie schaffen einen Ort, an dem der Besucher die wichtigsten Aromen des Bombay Sapphire berühren, beschnuppern und mit allen Sinnen begreifen kann. Der Besucher wird hier optisch und olfaktorisch eingebunden.
Nach dem die Anlagen am Flussufer jahrelang im Dornröschen-Schlaf lagen, hat es Bacardi mit viel Liebe zum Detail geschafft, eine nahtlose architektonische Verbindung aus historischem und zukünftigem zu schaffen. Die Destillerie hat durch ihre Lage am Fluss und durch die historischen Gebäude einen Charme, den kaum ein anderer Industriestandort besitzt. Und ein Industriestandort ist die Anlage in der Laverstoke Mill trotz allem Charme in jedem Fall. Denn Jahr für Jahr sollen dort mindestens 25 Millionen Liter Gin hergestellt werden.
Bacardi hat am Laverstoke die erste Gin-Produktionsanlage geschaffen, welche das Potential hat, ein echter Besuchermagnet zu werden. Pro Jahr werden etwa 40.000 Besucher erwartet. Und diese Schätzung dürfte angesichts der derzeit hohen Beliebtheit von Gin ohne weiteres erreicht werden. Denn den Besucher erwarten nicht nur die Produktionsanlagen und die Gewächshäuser, sondern auch Restaurants, Bars und weitere Aktivitäten in der unmittelbaren Umgebung. Abgerundet wird das Angebot von ständig wechselnden Kursen über die Herstellung von Cocktails und Drinks mit Gin und kulturellen Veranstaltungen.
Jeder kann den Bombay Sapphire und die Brennerei hier nach seinen eigenen Vorstellungen in seiner eigenen Zeit erkunden. Beim Gang über das Gelände, durch die Gebäude und die Geschichte fühlt man sich fast ein wenig wie ein Entdecker. Der Besucher wird entlang des Flussufers durch die Welt des Bombay Sapphires geführt. Wer möchte, kann sich in die wechselvolle Geschichte der Laverstoke Mühle einlesen oder die Botanicals in voller Blüte in ihrer natürlichen Umgebung kennenlernen und anschließend die Verarbeitung in der Trocknungsanlage beobachten. Oder man schaut dem Brennmeister über die Schulter und guckt sich die Destillation des Gins aus nächster Nähe an. Oder man lernt in der Gin Academy etwas über die Entstehung, die Idee, das Marketing und die Verwendung des Bombay Sapphire. Hier werden keine Geheimnisse gemacht.
Ein Besuch in der Mill Bar (Mühlen-Bar) rundet den Besuch ab. Hier erhält jeder Gast ein Getränk aufs Haus. Aber man sollte sich hier ruhig etwas mehr Zeit nehmen, um einen der sehr kreativen und ungewöhnlichen Cocktails zu testen.
Zur Eröffnung der neuen Produktionsanlagen und des Besucherzentrums wird auch eine Sonderedition des Bombay Sapphire aufgelegt. Inzwischen ist die Bombay Sapphire Laverstoke Mill Limited Edition Flasche auch im deutschen Einzelhandel erhältlich. Sicher ein sehr wertvolles Sammlerstück.
Zusammenfassend muss man sagen, dass in der Laverstoke Mühle erstmals ein internationaler Spirituosen-Konzern dem Gin Liebhaber die komplette Produktionslinie und Marketingstrategie offenbart. Der vollständige Geschäftsaufbau der Brennerei wird anschaulich nachvollziehbar. Mit der Laverstoke Mill wird Bacardi auch den Makel los, dass der Bombay Sapphire bislang eigentlich immer nur in Lizenz produziert wurde. Damit zeigt Bacardi, welches strategische Gewicht der Bombay Sapphire im Portfolio des Spirituosen-Konzerns hat. Ob es gleichzeitig auch ein Wendepunkt in der Konzernpolitik der ganz großen Spirituosenhersteller darstellt, ist indes noch unklar. Die Ausgliederung des Produktionsprozesses bringt nach wie vor ungemein große wirtschaftliche Vorteile mit sich. Fakt ist jedenfalls, dass Bacardi nunmehr in der Lage ist, den gesamten Herstellungsprozess des Bombay Sapphire öffentlich zu machen. Mit Transparenz und Verbraucheraufklärung erreicht der Bombay Sapphire ein ganz neues Niveau. Die Eröffnung der Laverstoke Mill ist jedenfalls ein spannender Schritt, der ein Wendepunkt in der Strategie der internationalen Spirituosen-Konzerne darstellen könnte.
Wer sich überlegt die Lavastoke Mill zu besuchen, findet hier weiterführende Informationen.