Negrita und Robinson gegen Pott, Balle und Hansen – der Rum-Krieg der 1960er Jahre


Der Rum-Krieg der 1960er Jahre war ein erbitterter Handelsstreit zwischen dem echten Rum aus Übersee und dem Inländer-Rum aus Flensburg. Ausgefochten wurde dieser Streit zwischen den Marken Pott, Hansen, Balle-Rum und Boddel-Rum auf Seiten der Flensburger und den Marken Negrita und Robinson auf der Seite des echten Übersee-Rum. Es ging dabei um Marktanteile und viel Geld. Auslöser des ganzen Streits war letztlich die Harmonisierung des Binnenmarktes durch die EWR, die sich schlussendlich für den Rum-Verschnitt als Todesstoß erweisen sollte. Doch der Reihe nach.

Inhaltsverzeichnis

Flensburger Rum-Verschnitt
Flensburg – Europas Rum-Hauptstadt
Der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 und seine Folgen
Was ist Rum-Verschnitt?
Das Flensburger Rum-Monopol beginnt zu bröckeln
Die Pioniere auf dem deutschen Rum-Markt
Der Rum-Krieg hat begonnen
Der Kampf war vergebens
Mehr Informationen

Flensburger Rum-Verschnitt

Im Jahr 1963 wurden rund 40 Millionen Flaschen mit Rum-Verschnitt von mehr als 40 Herstellern abgefüllt, welche überwiegend ihren Sitz in und um Flensburg hatten. Die Flensburger Rum-Dynastien hatten damit einen Marktanteil von mehr als 70% am deutschen Rum-Markt. Heute spielt Rum-Verschnitt nur noch zum Backen oder für Grog eine Rolle – doch damals waren die Flensburger Rum-Häuser noch gewillt, den aus der einstigen Monopol-Stellung erwachsenen hohen Marktanteil zu verteidigen.

Flensburg – Europas Rum-Hauptstadt

Der Ruf Flensburgs als Europas Rum-Hauptstadt geht auf eine Zeit zurück, als die alte Handelsstadt noch Teil des dänischen Königreichs war. Flensburg Rum HandelBereits im 16. Jahrhundert pflegten die Flensburger Kaufleute Handelsbeziehungen bis ans Mittelmeer, nach Grönland und in die Karibik. Von dort wurde im 18. Jahrhundert auch das Zuckerrohr importiert, welches zunächst sogar in Flensburg raffiniert wurde und dessen Sekundärprodukt Melasse zu Rum verarbeitet wurde. Ermöglicht wurde dieser Aufschwung durch Dänisch-Westindien – eine Kolonie aus den drei karibischen Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Croix. Die Flensburger Segelschiffe waren dabei im klassischen Dreieckshandel tätig. Aus der Karibik brachten sie Zuckerrohr, Kaffee, Tabak, Pfeffer und Edelholz nach Flensburg, von der Förde Kramwaren ins westafrikanische Guinea und von dort Sklaven in die westindischen Kolonien, welche dort an reiche Plantagenbesitzer verkauft wurden.

Bildnachweis: Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte

Der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 und seine Folgen

Die Flensburger Zuckerraffinerien konnten sich schon im frühen 19. Jahrhundert nicht mehr gegen die Konkurrenz aus Kopenhagen und Hamburg behaupten. Umso einträglicher war aber das Geschäft mit dem Rum, welchem allerdings durch den Deutsch-Dänischen Krieg im Jahre 1864 ein jähes Ende drohte. Nach dem Krieg gehörte Flensburg zu Preußen. Von den neuen Machthabern wurde der Handel mit den westindischen Kolonien nicht gern gesehen. Hohe Einfuhrzölle waren die Folge. Doch der karibische Rum weckte zusätzlich den Argwohn der heimischen Produzenten von Branntwein auf Getreide- und Kartoffel-Basis. So kam es, dass sich die Flensburger Rum-Hersteller seit 1887 nur noch mit einem Rum-Verschnitt über Wasser halten konnten. Der kleinste Teil des Rum-Verschnitts besteht aus echtem Jamaica-Rum ein großer Teil aus preußischem Getreide- oder Kartoffelbrand.

Was ist Rum-Verschnitt?

Im Jahr 1887 wurden auf Druck der ostelbischen Kartoffelproduzenten die Zölle für karibischen Rum zum Schutz der heimischen Bauern deutlich angehoben. Um überhaupt noch ein wettbewerbsfähiges Getränk anbieten zu können, mussten die Flensburger Rum-Häuser den karibischen Rum mit reichlich preußischem Prima-Spirit verdünnen. Am Ende gab es Mischungen, in denen nicht mehr als 3% karibischer Rum enthalten war. Das der Rum-Verschnitt trotzdem den Charakter einer karibischen Spirituose behalten hat, verdankt er einem Spezialverfahren, bei dem das Rum-Aroma auf das zwanzigfache konzentriert werden konnten. Dieser German Flavoured-Rum von Jamaica war unverdünnt überhaupt nicht genießbar, aber die einzige Möglichkeit, um einen einigermaßen schmackhaften Rum zu annehmbaren Preisen im Deutschen Reich vertreiben zu können. 100 Liter Rum-Verschnitt waren eine Mischung aus 60,8 Liter Wasser, 39,4 Liter Prima-Sprit (Neutralalkohol) und 2,7 Liter 75% vol. Original Rum.

Das Flensburger Rum-Monopol beginnt zu bröckeln

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1950er Jahren konnten sich die Menschen wieder etwas leisten. Dazu gehörte für den ein oder anderen eventuell auch ein echter karibischer Rum anstelle eines deutschen Rum-Verschnitts. Wenngleich auf niedrigem Niveau stiegen die Einfuhren von echtem Rum zwischen 1958 und 1963 von 30.000 Liter auf 3 Millionen Liter an. Dieser Prozess beschleunigt sich durch die Bildung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Denn durch die Überseegebiete Frankreichs konnte plötzlich echter Rum von den tropischen Inseln Martinique, Guadeloupe und Reunion ganz ohne Handelsschranken und mit deutlich geringeren Einfuhrzöllen auf den deutschen Markt gelangen. Kein Wunder also, dass sich die Flensburger Rum-Dynastien in den 1960er Jahren bedroht sahen und zum Gegenschlag ausholten.

Die Pioniere auf dem deutschen Rum-Markt

Dass es ausgerechnet der Rum aus den französischen Überseegebieten sein sollte, der den Flensburger Rum-Händlern den Kampf ansagte, lag auch an der völlig gegenläufigen Politik in Frankreich. Während in Deutschland die Spirituosenproduzenten durch hohe Zölle gegen Einfuhren geschützt worden sind, wurde in Frankreich die Produktion von Inländer-Rum bzw. Rum-Verschnitt gar verboten. Anders als Deutschland hatte und hat Frankreich zahlreiche Übersee-Gebiete, in denen traditionell Zuckerrohr und Rum produziert werden. Diese Gebiete sind landwirtschaftlich und heute auch touristisch geprägt, aber nach wie vor sehr strukturschwach. Damit die Überseegebiete die französische Staatskasse so wenig wie möglich belasten, war es die erklärte Absicht, die Verarbeitung von Zuckerrohr zur Gänze den Überseegebieten zu überlassen und deren Produkten keine heimische Konkurrenz durch Rum-Verschnitt entgegenzustellen.

Durch den EWR war es den Franzosen nunmehr möglich, ihren echten Rum als preiswerte Alternative dem Flensburger Rum-Verschnitt entgegenzustellen. Denn während die Zölle auf den französischen Übersee-Rum gefallen sind, ist der wichtigste Rohstoff der Flensburger Rum-Händler, das Rum-Konzentrat aus Jamaica, durch einen höheren Importzoll, teurer geworden. Mit einer großangelegten Werbekampagne im Fernsehen, Radio und auf Plakaten bläst der französische Rum-Händler Société Les Fils de P. Bardinet aus Bordeaux mit seiner Weltmarke „Rhum Negrita“ in den frühen 1960er Jahren zum Angriff.

Der Rum-Krieg hat begonnen

Der deutsche Importeur von Rhum Negrita, der Kieler Spirituosenproduzent Lehment, und die Flensburger Firmen Pott, Hansen, Dethleffsen, Sonnberg, u.a. überziehen sich mit Klagen und einstweiligen Verfügungen. Lehment und einige Mitstreiter kreierten das Siegel „Echter Rum“ mit dem die Rum-Flaschen fortan wie mit einem Orden ausgezeichnet wurden. Die Auszeichnung konnte gerichtlich nicht untersagt werden. Allerdings konnten die Hersteller vom „guten Pott“ und „milden Balle“ vor dem Landgericht Düsseldorf einen (Zwischen-) Erfolg erzielen. Die Kläger konnten nachweisen, dass 39 % der deutschen Verbraucher „Jamaica“ für eine Rum-Marke halten und dass 55 % der Meinung waren, dass echter Rum nur aus Jamaica stamme. Folglich urteilten die Richter, dass „echter Rum“ nicht aus Martinique, Guadeloupe und Réunion stammen dürfe. Doch mit acht Einstweiligen Verfügungen und sieben offenen Hauptverfahren schien der Krieg zwischen dem Flensburger und dem Echten Rum noch lange nicht ausgefochten.

Der Kampf war vergebens

Von den ehemals mehr als 200 Rum-Häusern findet man in Flensburg heute nur noch Johannsen als unabhängiges Familienunternehmen. Von anderen einst stolzen Marken wie Hansen und Pott sind nur noch die Markennamen übrig geblieben, deren Füllung aber längst nicht mehr in Flensburg produziert wird. Und selbst in den Flaschen, auf denen der Markenname der einstigen Verteidiger des deutschen Rum-Verschnitt prangt, befindet sich heute mehr echter Rum als Rum-Verschnitt. Der Marktanteil des Rum-Verschnitts ist verschwindend gering und anders als der österreichische Inländer-Rum konnte sich der deutsche Rum-Verschnitt bis heute nicht von seinem negativen Image einer minderwertigen Mischung trennen.

Mehr Informationen

Einen Echten, du Schurke! Rhum Negrita, in Schlimmerdurst.net vom 10. Oktober 2015

Robinson und Negrita, in Spiegel vom 05. Februar 1964

Der unrühmliche Rumkrieg, in Zeit vom 09. April 1965

Der Rest ist Wasser, in Spiegel vom 28.02.1966

Die Hauptstadt des Rums, in Focus vom 13.11.2008

Flensburger Rum wird Geschichte, in Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte

Da kommt wenig rum: Johannsen Jamaica-Rum-Verschnitt im Test, in Alkoblog.de Bischofbrüder GbR vom 08. März 2015