Spirituosen, Wein, Bier und die Health-Claims-Verordnung der EU
Blog EU-Verordnung, Gesundheit

Am 20. Dezember 2006 haben das Europäische Parlament und der Rat der EU die Verordnung (EG) NR. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel beschlossen. [Download] Die am 1. Juli 2007 in Kraft getretene und unmittelbar gültige Verordnung wird umgangssprachlich als Health-Claims-Verordnung bezeichnet. Der Begriff ist aus dem englischen abgeleitet und bedeutet etwa „Verordnung über Gesundheitsbehauptungen“. Ziel der Verordnung ist es, den Verbraucher vor irreführenden Angaben und Werbung zu schützen, die im Zusammenhang mit Produkten wissenschaftlich nicht belegbare gesundheitsbezogene Angaben macht. Seit dem 14. Dezember 2012 dürfen Lebensmittel nur noch mit gesundheitsbezogenen Angaben geworben werden, wenn diese nach einem strengen Prüfverfahren in die sogenannte „Artikel-13-Liste“ aufgenommen worden sind. [Download] Für Spirituosen sind gesundheitsbezogene Angaben nach Artikel 4 Abs. 3 Buchstabe a) der Health-Claims-Verordnung generell tabu, weswegen diese in der „Artikel-13-Liste“ gar nicht erwähnt werden.
Wie viele Gesetze ist auch die Health-Claims-Verordnung stark interpretationsfähig. Die Frage, was eigentlich eine gesundheitsbezogene Angabe ist, musste am 6. September 2012 der Europäische Gerichtshof aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesverwaltungsgerichts klären. In dem Verfahren ging es um einen Wein der Winzergenossenschaft aus Ilbesheim in Rheinland-Pfalz, der einen reduzierten Säuregehalt aufwies und deshalb als „Edition Mild bekömmlich“ beworben wurde. Die Frage war nun, ob die Bezeichnung „bekömmlich“ bei einem Wein einen Zusammenhang zu Vorgängen im Körper herstellt und damit auf das allgemeine gesundheitliche Wohlbefinden anspricht.
Der Europäische Gerichtshof hat die Frage letztlich bejaht und die Verwendung des Wortes „bekömmlich“ als nicht mit Artikel 4 Abs. 3 Buchstabe a) der Health-Claims-Verordnung vereinbar angesehen. Link zum Urteil.
Infolgedessen sind gesundheitsbezogene Angaben im Zusammenhang mit Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent generell untersagt. Durch die höchstrichterliche Klärung war nunmehr deutlich, wie weit eine gesundheitsbezogene Angabe gefasst werden kann und immer mehr Akteure haben sich der Aufgabe gewidmet, gesundheitsbezogene Begrifflichkeiten zu identifizieren. Das hat beispielsweise dazu geführt, dass der Hersteller des Oldesloer Kümmels die Etiketten des Produktes ändern musste.
Aus dem Satz
„Oldesloer Kümmel bekommt gut und wirkt besonders wohltuend nach kräftigen Speisen.“
wurde Anfang 2014 dieser Satz:
„Oldesloer Kümmel ist der ideale Begleiter zu kräftigen Speisen und Getränken.“
Gleichwohl gibt es keine abschließende Liste der gesundheitsbezogenen Angaben. Neben „bekömmlich“ gehören dazu nach allgemeiner Auffassung die Begriffe „wohltuend“, „verdauungsfördernd“ und „magenschonend“. Aber wo liegt die Grenze zwischen kreativen, aber unbedenklichen Werbetexten und einem Verstoß gegen Marktverhaltensregeln, einer Irreführung des Verbrauchers? Und muss mit dieser Frage der Europäische Gerichtshof beschäftigt werden?
Mit Urteil vom 25. August 2015 hat die Brauerei Clemens Härle KG vor dem Landgericht Ravensburg eine Niederlage hinnehmen müssen. Die Brauerei hat ihr Bier auf ihren Internetseiten unter anderem mit folgenden Sätzen beworben:
„Das würzig-frische Spitzenbier. Bekömmlich, süffig - aber nicht schwer.“ „Feinwürzig und herzhaft im Geschmack, erfrischend bekömmlich für den großen und kleinen Durst.“
Das Landgericht Ravensburg sah hier einen Verstoß gegen die Health-Claims-Richtlinie und hat der Brauerei per einstweiliger Verfügung untersagt, mit dem Begriff „bekömmlich“ für ihre Biere zu werben. Link zum Urteil.
Die Brauerei ist gegen das Urteil in Berufung gegangen, denn nach ihrer Ansicht werde vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher das Wort „bekömmlich“ in der Werbung nicht als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstanden. Die Aussicht auf einen justiziablen Erfolg der Brauerei ist allerdings mit Sicht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes äußert gering.
Auch wir von CONALCO mussten leider die Erfahrung einer einstweiligen Verfügung machen. Uns wurde durch das Landgericht Hamburg die Bewerbung von Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent mit dem Wort "wohltuend" untersagt. Dazu muss man sagen, dass das Wort "wohltuend" im Werbetext vom Oldesloer Kümmel enthalten war und der Satz unverändert vom Hersteller August Ernst GmbH & Co. KG übernommen wurde. Auf eine Änderung des Textes hat uns der Hersteller leider nicht hingewiesen. Auf der anderen Seite war es niemals unsere Absicht, eventuell einen Verstoß gegen marktverhaltensregelnde Gesetze zu begehen und unsere Kunden durch irreführende Werbung zu täuschen! Daher haben wir die notwendigen Änderungen natürlich umgehend umgesetzt.
Trotz allem wurde uns durch einen vermeintlichen oder tatsächlichen Mitbewerber ein teures und zeitintensives gerichtliches Verfahren aufgenötigt, in dem wir uns nunmehr rechtfertigen müssen. Für weitere Informationen empfehlen wir Ihnen einen Artikel unseres Rechtsanwalts zur Lektüre. Link zum Artikel.
Was denken Sie als Verbraucher zu diesem Thema? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare!