Destillation von Calvados


Das Grundprinzip der Destillation von Calvados entspricht jeder anderen Destillation zu einem alkoholischen Getränk, denn es handelt sich um einen physikalischen Vorgang, bei dem Wasser von Alkohol getrennt wird. Doch Calvados wäre kein besonderes Getränk, wenn es nicht doch viele kleine Unterschiede gäbe, die letztlich zu dem außergewöhnlichen Geschmack des Getränks führen. Diesen Besonderheiten bei der Destillation von Calvados wollen wir uns hier widmen.

Inhaltsverzeichnis:

 

Ausgangsstoffe Cidre

In unserem letzten Beitrag „Äpfel, Ernte und Verarbeitung – der lange Weg zum Calvados“ sind wir auf die Verarbeitung der Äpfel und Birnen von der Ernte bis zum Apfelwein ausführlich eingegangen. Der Rohstoff für die Destillation ist tatsächlich der Cidre, dessen Herstellung und Eigenschaften sich je nach AOC Region (Calvados, Pays d´Auge und Domfrontais) leicht voneinander unterscheiden. Allen gemeinsam ist, dass

  • der Most während der Gärung nicht erhitzt werden darf;
  • eine Anreicherung mit Zucker nicht erlaubt ist;
  • der Alkoholgehalt mindestens 4,5% vol. betragen muss;
  • die Verwendung von Hefenährsalzen oder anderen Zusatzstoffen nicht erlaubt ist;
  • die Stabilisierung des Cidres mit Sulfiten ist nicht zulässig ist;
  • der Cidre als Ausgangsstoff für die Destillation in jeder Hinsicht ein genusstauglicher und für den sofortigen Verzehr geeigneter Apfelwein darstellt.

 

Die Verwandlung vom Cidre zum Calvados

Bei der Destillation wird der Apfelwein schonend erhitzt. Da Alkohol eine niedrigere Siedetemperatur als Wasser besitzt, verdampft der Alkohol zunächst. Der alkoholische Dampf wird aufgefangen, durch eine Kühlung kondensiert und verflüssigt sich schließlich als eine Art hochprozentiges Konzentrat. Für die Destillation gibt es zwei verschiedene Methoden: Bei der älteren Technologie wird ein Kupferkessel (Alambic) verwendet, bei der moderneren Technologie ein Säulen- oder Kolonnenverfahren. Die Wahl zwischen beiden Verfahren besteht nur bei der Qualitätsstufe Calvados, wobei hierfür überwiegend das Kolonnenverfahren angewandt wird. Ein Calvados Domfrontais muss im Kolonnenverfahren und ein Calvados Pays d´Auge muss auf einer traditionellen Kupferbrennblase gebrannt werden.

 

Die Alambic-Methode

Der Calvados du Pays d´Auge unterliegt in Bezug auf die Destillation sicherlich den strengsten Vorschriften. Die nachfolgenden Vorschriften können allerdings auch von einem Calvados AOC eingehalten werden. Einzig für den Calvados Domfrontais wäre diese Form der Destillation nicht zulässig. Schauen wir uns den Aufbau der Destillation zunächst schematisch an.

 

Chauffe-cidre: Der Cidre wird in einem Kessel ganz sanft auf 65°C vorgewärmt.

Chaudière: Der vorgewärmte Cidre wird in den Kessel eingelassen und auf nicht mehr als 72°C erhitzt. Der Kessel wird durch eine offene Flamme mit Holz oder Gas beheizt.

Chapiteau: Das Chapiteau ist eine Art „Glocke“ auf dem Kessel, in dem sich die Dämpfe sammeln. Je größer das Chapiteau, desto mehr der Dämpfe kondensieren an der Außenfläche bevor sie ins „Col de Cygne“ gelangen. Die an der Außenfläche des Chapiteau kondensierten Dämpfe tropfen in den Kessel zurück.

Col de Cygne: Sind die Dämpfe über den höchsten Punkt des Col de Cygne (Schwanenhals) gelangt, ist ein Rückfluss in den Kessel ausgeschlossen. Der Schwanenhals geht in eine Schlange bzw. Spirale über, welche sich durch kühlendes Wasser windet.

Eau-de-vie: Am Ende der Schlange wird der kondensierte Apfelbrand aufgefangen, wobei dieser aufgetrennt wird in den nicht verwendbaren Vor- und Nachlauf sowie das Herz der Destillation.

Soweit die einfache schematische Darstellung. Die vorgenannten Apparaturen zur Destillation müssen alle aus Kupfer gefertigt sein und dürfen ein Fassungsvermögen zwischen 300 und 2.500 Liter haben. Für die Beheizung wird wegen der besseren Regulierbarkeit meistens Gas verwendet. Der Cidre muss in zwei Stufen gebrannt werden. Bei der ersten Destillation entsteht der Raubrand (welcher als „Brouillis“ oder „Petite Eau“ bezeichnet wird) mit einem Alkoholvolumen zwischen 28% vol. und 30% vol. Nach 5 bis 6 Destillationsdurchläufen hat sich genug Raubrand für die zweite Stufe der Destillation angesammelt.

Bei dem zweiten Destillationsvorgang wird aus dem Raubrand und das Abtrennen des Vor- und Nachlaufes ein Feinbrand mit einem Alkoholgehalt von etwa 70% vol. gewonnen. Fällt der Alkoholgehalt des Kondensats im Laufe der Destillation auf unter 60% vol., wird der Nachlauf separiert. Solange der Nachlauf mehr als 10% vol. Alkoholgehalt aufweist, wird dieser meist dem nächsten Raubrand zugesetzt.

Bei einer 2.500 Liter Brennblase benötigt der Raubrand je Vorgang etwa 8 Stunden, während für die Destillation des Feinbrandes etwa 12 Stunden benötigt werden. Manche Hersteller lagern Raubrände vor der Weiterverarbeitung zum Feinbrand über mehrere Monate.

 

Wer sich schon einmal mit französischen Spirituosen beschäftigt hat, wird über die Alambic-Methode beim Calvados zweifellos erstaunt sein. Die Brennblasen sind mit denen der Charente für Cognac oder auch Armagnac praktisch identisch. Dieses Destillations-Verfahren ist zwischen Le Havre, Lisieux und Gacé verbreitet, dort wo der Calvados Pays d´Auge produziert wird. Allerdings ist es auch ein Recht aufwändiges und kostenintensives Verfahren, so dass längst nicht alle Produzenten eine eigene Anlage besitzen. Häufig übernehmen Abfindungsbrenner diesen Arbeitsschritt, während die mobilen Destillationsanlagen heutzutage kaum noch anzutreffen sind. Durch die zweifache Destillation wird der Calvados Pays d´Auge zumeist als hochwertiger gegenüber dem einfach destillierten Calvados angesehen.

 

Die Säulen- oder Kolonnendestillation

Diese Art der Destillation ist für Calvados Domfrontais obligatorisch und für Calvados AOC fakultativ. Tatsächlich wird der meiste Calvados auf Destillationskolonnen produziert. Die Apparatur besteht aus drei Teilen: dem Chauffe-Cidre, der Chaudière (Brennkessel) und der Destillationskolonne.

 

Durch die Schwerkraft fließt der Cidre durch den Chauffe-Cidre und wird dabei schonend und gleichmäßig erwärmt. Zum Ende des Erwärmungs-Prozesses erreicht der Cidre den Eingang der Destillationssäule. In der „Colonne d`équisement“ fließt der Cidre stufenweise den Kessel hinunter, in dem die Temperatur nach unten immer weiter ansteigt. Dabei verflüchtigt sich der Alkohol immer stärker und steigt als Alkoholdampf auf. Der aufsteigende Alkoholdampf umströmt dabei den herabfließenden Apfelwein und nimmt zusätzliche Aromen auf. Das Destillat wird dadurch rektifiziert und redestilliert. Der Alkoholdampf verlässt den Kessel und wird über eine Leitung in die zweite Säule geführt, in der das Dampfkonzentrat kondensiert und als Calvados den Brennvorgang beendet. Das Ergebnis ist ein zwar zügig hergestelltes Destillat, welches durch Rektifizierung und Redestillation aber ungewöhnlich komplex und aromareich wirkt.

 

 

 

Mit dem Kolonnenverfahren ist eine kontinuierliche Destillation möglich, da der Vorgang praktisch nie unterbrochen werden muss. Die Durchflussleistung ist gesetzlich auf maximal 2.500 Liter je Tag begrenzt und die Anlage muss zur Trennung von Vor-, Mittel- und Nachlauf über drei Auslaufhähne verfügen. In der Kolonnendestillation wird Cidre nur einmal destilliert und auf eine Alkoholkonzentration von etwa 70% vol. gebracht. In keinem Fall darf das Destillat eine Alkoholkonzentration von mehr als 72% vol. haben. Insgesamt ist die Destillation auf einer Kolonne zwar ökonomischer, aber trotzdem haben die wenigsten der Hersteller eine eigene Anlage. Hier sind auch noch zahlreiche mobile Abfindungsbrenner unterwegs.

 

Besonderheiten der Calvados-Destillation

Calvados wird aus Äpfeln und zum Teil auch aus Birnen gebrannt. Die Destillation ist aber in vielen Punkten mit der von Cognac, Armagnac und Weinbrand identisch. Daraus resultieren für einen Obstbrand gaschromatographische Besonderheiten. Durch die Destillation auf höchstens 72% vol. Alkohol entsteht ein überraschend blumiges und fruchtiges Aroma. Ursächlich hierfür ist der vergleichsweise hohe Anteil an flüchtigen Begleitstoffen, welcher mindestens 400 mg auf 100 ml reinem Alkohol betragen muss. Unter flüchtigen Begleitstoffen sind Säuren, Ester, Aldehyde, Furfural und höhere Alkohole zu verstehen, wobei die höheren Alkohole sicherlich den Hauptbestandteil flüchtiger Begleitstoffe bilden. In verschiedenen Untersuchungen wurde eine große Bandbreite im Gehalt der einzelnen Stoffe und im Gesamtgehalt an flüchtigen Stoffen festgestellt.

Schlussendlich ist die Destillation die entscheidende Stellschraube über die Qualität des Calvados. Je schonender der Cidre erhitzt wird und je langsamer die Destillation erfolgt, desto mehr Aromen kann der alkoholische Dampf aufnehmen. Das klassische Alambic-Verfahren erlaubt hier wesentlich bessere Ergebnisse, bedarf allerdings auch ungleich mehr Erfahrung des Brennmeisters. Insbesondere kurz gelagerte Qualitäten wie Calvados VS oder VSOP leiden unter einer gewissen Wuchtigkeit, wenn der Brennmeister viel Fruchtigkeit nicht durch eine entsprechende Reifezeit auszugleichen weiß.

 

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